Der Jazz Club Minden e.V. hat seine Entscheidung, im zweiten Pandemie-Jahr frühzeitig wieder mit dem Konzertbetrieb zu beginnen, im Wortsinn teuer bezahlt. Zu den auf qualitativ gewohnt hohem Niveau angebotenen Konzerten kamen vor allem in der ersten Jahreshälfte zunächst deutlich weniger Gäste als in Vor-Pandemie-Zeiten. Entsprechend war das finanzielle Ergebnis.
Wie jetzt Hermann Schürmann als stellvertretender Vorsitzender bei der Vorlage des Finanzberichts für das Jahr 2022 auf der Jahreshauptversammlung berichtete, stand am Ende des Geschäftsjahrs das mit Abstand höchste Defizit seit 1998. Damals hatte ein verregnetes Open Air im Weserstadion zum Stadtjubiläum den Club für Jahre in existenzbedrohende Schulden getrieben.
So weit kam es 2022 nicht, da ein über die Vorjahre aufgebautes, auch dank Sponsoring sowie verschiedener Auszeichnungen ausreichendes Polster zur Deckung vorhanden war. Vorsitzender Matthias Niemann betonte denn auch, das die entsprechenden Risiken bei der Entscheidung für die Wiederaufnahme des Konzertprogramms insofern bewusst, aber auch verantwortbar eingegangen worden seien. Ziel sei gewesen, einem treuen Publikum nach langer Durststrecke endlich wieder Live-Musik anbieten zu können. Vor allem aber habe man auch den von der Pandemie schwer betroffenen Musikern wieder eine Perspektive bieten wollen.
Gleichzeitig hat der Verein – einschließlich erheblicher Eigenleistungen – sogar noch maßgeblich in eine nachhaltige Verbesserung der Konzert-Akustik sowie weitere bauliche Aufwertungen der Räumlichkeiten investiert.
Diesem Ansatz folgte die Versammlung auch einmütig, indem sie dem Vorstand uneingeschränkt Entlastung erteilte.
Auch die Mitgliederentwicklung litt unter der Pandemie, wie Niemann in seinem Rechenschaftsbericht erläuterte, erstmals seit Jahren habe es wieder mehr Austritte als Neuaufnahmen gegeben. Inzwischen sei jedoch – ebenso wie bei der Publikumsresonanz auf das Konzertprogramm – glücklicherweise wieder eine gegenläufige Entwicklung festzustellen, die Mitgliederzahl hat erneut die magische 400er-Grenze überschritten.
Dies erleichterte dem Vorstand eine verhalten optimistische Finanz- und Veranstaltungs-Jahresplanung, die unter anderem verschiedene Konzert-Highlights aus Anlass des 70-jährigen Bestehens vorsieht. Außerdem ist trotz einiger Bauchschmerzen endlich wieder eine Neuauflage der – wegen Pandemie und städtischen Umbaumaßnahmen – inzwischen schon dreimal ausgefallenen traditionellen Jazz Summer Night auf dem Mindener Marktplatz geplant. Sie soll wie gewohnt als Open Air bei freiem Eintritt stattfinden, und zwar am Samstag, 15. Juli.
Niemann teilte mit, dafür in Verhandlungen mit der vielfach gefeierten französischen NuJazz-Band Electro Deluxe sowie dem Projekt Rüdiger Baldauf Trumpet Night zu stehen; eine regional beheimatete Bigband soll das Line-Up vervollständigen. Noch werden für die überregional bedeutende, regelmäßig mehrere Tausend Besucher anziehende Veranstaltung Sponsoren gesucht.
Ein entsprechender Haushaltsplan wurde dennoch einstimmig gebilligt. Dass die finanzielle Situation in Verbindung mit Kostensteigerungen in allen Bereichen des ideellen wie des gastronomischen Betriebes moderate Preisanhebungen unausweichlich macht, war dabei ausgesprochener Konsens in der Versammlung.
Die ambitionierte „Young Jazz Ahead“- Reihe soll als Podium für aufstrebende Jung-Profis ebenso fortgesetzt werden wie das musikpädagogische „Bandfabrik“-Projekt des Clubs, der hier, etwa bei den regelmäßig angebotenen Workshops mit Profis oder bei der Anschaffung von Instrumenten, auch von einer Förderung der Strothmann-Stiftung profitiert.
Die Versammlung beschäftigte sich nach einer jeweils einstimmig erfolgten Wiederwahl des Vorstands mit Matthias Niemann als Vorsitzendem, Hermann Schürmann als Stellvertreter und Thomas Weber als Geschäftsführer sowie des zehnköpfigen Vereinsausschusses abschließend in lebhaften Diskussionen mit aktuellen Themen. So ging es um die Konsequenzen der städtischen Brandschutzauflagen, die Uhrzeit für den samstäglichen Konzertbeginn, die Garantie für den Einlass von Mitgliedern bei ausverkauften Konzerten, den Gesprächspegel bei Konzerten und schließlich um die Frage nach Konzepten für Nachwuchsgewinnung. In allen Punkten wurden Vorstand und Vereinsausschuss beauftragt, Lösungsansätze zu entwickeln. Auch im 70. Jahr seines Bestehens zeigte sich der Jazz Club Minden e.V. damit lebendig wie eh und je.
Nachtrag 17.4.2023:
Das Line-Up der Jazz Summer Night steht inzwischen fest. Die Verhandlungen mit Electro Deluxe haben sich am Ende zerschlagen, neuer Headliner ist die Phillip Lassiter Band. Weitere Acts: Rüdiger Baldauf & Friends feat. Bruno Müller, Joo Kraus und Jakob Manz; LABIBA
Siehe dazu auch „Das Comeback der Summer Night“